20 Jahre infocafe

20 Jahre infocafe

Das Infocafe, das Jugendzentrum für Medien, der Stadt Neu-Isenburg feiert am 4. April sein 20-jähriges Bestehen. Untergebracht ist die moderne Einrichtung in einem der ältesten Gebäude der Hugenottenstadt, der „Alten Schule“ aus dem Baujahr 1703. Das Gebäude wurde im Jahr 2008 im städtischen Auftrag für rund 1,2 Millionen Euro saniert. Wo früher Schülerinnen und Schüler den Katechismus lernten, können heute Kinder und Jugendliche nicht nur im Internet surfen, sondern werden auch über die Gefahren der virtuellen Welt aufgeklärt. 

Am 4. April 2003 fand in der Goetheschule Neu-Isenburg die erste öffentliche Veranstaltung des Infocafes statt und später, am selben Tag, die erste Öffnung der Einrichtung. Über die Jahre hat das Infoc@fé nicht nur ein paar Sonderzeichen, wie beispielsweise das rote @ verloren, es hat sich auch inhaltlich und räumlich einiges verändert. Eigentlich gibt es die Einrichtung sogar schon seit dem 4. April 2000. Die Idee dieses Proto-Infocafes war die einer Jugendeinrichtung in Gestalt eines Cafés oder Bistros mit gastronomischen Charakter. Das Konzept war damals an kommerzielle Jugendcafés angelehnt, mit langen Öffnungszeiten und ohne explizit pädagogischen Zuschnitt.

Drei Jahre später erweiterte die Stadt das Profil der Einrichtung. Es sollten neue Zielgruppen erreicht werden, feste Gruppenarbeit vertieft und die individuelle Computernutzung nicht den einzigen Mittelpunkt der Angebotsstruktur darstellen. Das neue Betriebskonzept bestand aus drei deutlich voneinander getrennten Bereichen, der Nutzungsüberlassung, Projektarbeit und dem Clubbetrieb (weitere Informationen dazu im Anhang).

Raumplan der alten Räume aus “Update einer Jugendeinrichtung” Thomas Graf

2010 zog die Einrichtung von der Carl-Ulrich-Straße in die Neu-Isenburger Altstadt. Der Kontrast zwischen dem ältesten Gebäude der Stadt und der hochmodernen medienpädagogischen Einrichtung ist bemerkenswert, noch bemerkenswerter ist die überaus anerkannte Arbeit der Einrichtung.

Seit vielen Jahren deckt das Infocafe in der Projekt-, Beratungs- und Bildungsarbeit verschiedenste Themengebiete ab. Von Mediensuchtprävention in den 2000er Jahren über Kulturarbeit mit digitalen Spielen heute. Jugendpressearbeit in Kooperation mit Zeitungen, bpb und freien Journalist*innen auf Buchmesse, gamescom und in eigenen Spielerezensionen. Medienkompetenzmodule wie die Digitaali AG, die kostenlos und zur freien Nutzung zur Verfügung stehen. Kreative Medienkunstwettbewerbe. Teilhabe an verschiedensten wissenschaftlichen Publikationen der Medienpädagogik. Seit Beginn der Gamestudies in den späten 2000ern ist die Einrichtung auch in diesem thematischen Feld aktiv. Auch ist die Aufarbeitung von aktuellen Themen ist ein großer Teil der Arbeit, dazu gehörte im letzten Jahr beispielsweise auch die Erstellung eines Queer-Guides.

„Ob Onlinemobbing, Datenschutz, Bildungsmedien, Medienbildung, Grooming, digitale (sexuelle) Gewalt, Spielsucht und so viel anderes, wenn ein Thema relevant wird, dann muss und wird sich das Infocafe damit beschäftigen. Dies ist in unserer Praxis so tief verankert wie der Grundsatz einer guten Netzwerkarbeit“, erklärt Stephan Schölzel, der bereits seit zehn Jahren im Infocafe arbeitet.   

Wichtig sei dabei, sagt Schölzel, dass der Kontakt mit der Zielgruppe nicht verloren geht. Daher wird versucht, die Besuchenden an den Prozessen so weit wie möglich aktiv teilhaben zu lassen. So sind auch Konzepte wie das Elternupdate, in dem das Infocafe als Vermittler auftritt oder die Eltern-Kind-Workshops entstanden.

„Auch in Zukunft wird das Infocafe seine Arbeit auf dem gewohnten hohen Niveau fortsetzen und auf die Bedürfnisse und Fragestellungen der Jugendlichen in ihrer Lebenswelt eingehen. Die Mitarbeitenden schauen voller Vorfreude auf die Zukunft mit all ihren technologischen Entwicklungen und sind stolz darauf, auch weiterhin ihren Beitrag dazu leisten zu dürfen, dass die Jugendlichen sich in der medialen Welt gut und sicher zurechtfinden“, lobt Bürgermeister Dirk Gene Hagelstein.

Konzept Infocafe 

Nutzungsüberlassung

Die Bereiche der Projektarbeit und des Clubbetriebs bestehen bis heute in der damals angedachten Form. Lediglich die Nutzungsüberlassung an die Jugendlichen selbst wurde im Laufe der Jahre überflüssig. Das ist aber auch leicht nachvollziehbar: In den frühen 2000er Jahren war die technische Ausstattung in den Wohnräumen der Jugendlichen nicht ansatzweise so gut wie sie es heute ist. Außerdem war “Online” sein damals ein völlig anderes Konzept. Es wurden Telefonleitungen blockiert, das Internet war langsam und teuer. Wer zusammen mit anderen spielen wollte, war quasi gezwungen, räumliche Nähe herzustellen: Es war die Ära der LAN Partys.

Projektarbeit

Die Projektarbeit, die wir heute als völlig normal sehen, stand in den 2000er Jahren noch in einer anderen Ecke. Dieter Baackes Vier-Säulenmodell der Medienpädagogik war noch sehr jung und noch nicht im wissenschaftlichen Kanon verankert. Auch herrschte damals noch eine bewahrpädagogische Haltung gegenüber den modernen Medien vor. Der fest verankerte Schwerpunkt handlungsorientierter Medienarbeit war damals ein sehr mutiger progressiver Schritt der Stadt Neu-Isenburg. Die Zeit hat gezeigt, dass es sich gelohnt hat diesen Schritt zu gehen.

Clubbetrieb

Der Clubbetrieb des infocafes war seit unserer Eröffnung am 4. April 2003 schon immer etwas anders als bei den meisten “klassischen” Jugendzentren. Weder das “Infoc@fé” von damals noch das infocafe von heute sind wirklich “offene” Einrichtungen. Das im Wesentlichen medienbezogene Freizeitangebot war und ist als Ergänzung zu anderen Jugendeinrichtungen der Stadt Neu-Isenburg gedacht. Eines der Ziele war es auch, Kinder und Jugendliche zu erreichen, die nicht in der klassischen Jugendarbeit erreicht werden. Entweder, weil sie keinen sicheren Raum in den bestehenden Jugendzentren fanden oder aufgrund sozioökonomischer Hürden.

Der Ansatz, der gewählt wurde, waren “Clubmitgliedschaften”. Das Konzept stieß damals auf Kritik, da der integrative Charakter eines exklusiven Angebotes als Risiko gesehen wurde. Jedoch zeigte die Zeit, dass sich dieser Ansatz auszahlte.

Die exklusive Clubmitgliedschaft

Zum einen wurden die ersten Mitgliedschaften paritätisch an Jungen und Mädchen vergeben – damals explizit am örtlichen Gymnasium, der Goetheschule und der örtlichen Gesamtschule, der Brüder-Grimm-Schule. Die Jugendlichen wurden damit bunt aus allen Schulformen und den verschiedensten sozialen Hintergründen.

Im Jahr 2019 hatten wir die Chance, Forschungsobjekt einer Abschlussarbeit von Studierenden der Sozialforschung zu werden. Diese wollten evaluieren, wer und aus welchen Gründen unsere Besucher:innen sind. Dabei wurde nochmals deutlich, wie breit wir aufgestellt sind, aber auch wie verschieden die Motivationen unserer Besucher:innen sind. Die einen besuchen das infocafe, weil sie zu Hause nicht die technischen Möglichkeiten haben, die wir ihnen hier bieten können. Manch andere kommen, weil sie mit ihren Freund:innen lieber physisch in einem Raum spielen. Und wieder andere, weil sie zwar die Technik hätten, aber keinen Raum, in dem sie geduldet werden

Die formelle Clubmitgliedschaft

Heute werden alle Kinder und Jugendlichen, die uns regelmäßig besuchen, Clubmitglieder:innen. Mengenbegrenzungen oder sonstige Auswahlkriterien gibt es keine. Die Clubmitgliedschaft erfüllt heute vor allem eine andere Funktion: die Einhaltung und Gewährleistung des Jugendmedienschutzes. Für die Anmeldung holen wir uns die Bestätigung der Erziehungsberechtigten über das Alter des neuen Clubmitglieds sowie ein paar grundlegende Informationen ein, beispielsweise ob es Dinge gibt, die das Kind nicht machen soll, wie etwa das Spielen von pädagogisch bewerteten Onlinespielen ohne USK Freigabe, oder wie mit Bezahlsystemen in Spielen umgegangen werden kann.

Des Weiteren ist die Tür des infocafes nie “einfach offen” – wir sind ein Clubbetrieb und keine öffentliche Jugendeinrichtung. Das ist auch wichtig, da wir unseren Besucher:innen teilweise teure Soft- und Hardware in die Hand geben. So ist es wichtig, einen Überblick zu haben, wer gerade im Haus ist.

Die älteste Folie des Proto-infocafes aus etwa 2001

Stephan Schölzel

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