LGBT…was? – Der infocafe Pride-Guide
International gilt der Juni als Pride Month, ein Monat in dem Menschen der LGBTQIA+ (Lesbian, Gay, Bi, Trans*, Queer, Inter* und Asexual; das Plus steht dabei als Platzhalter für weitere sexuelle und geschlechtliche Identitäten) Community (engl. Gemeinschaft) ihre Identität zelebrieren und für ihre Rechte protestieren. Unter LGBTQIA+ versteht man dabei kurz gesagt Menschen, die nicht heterosexuell und/oder cisgeschlechtlich sind – auf diese und weitere Begriffe wird später eingegangen. Zusätzlich zum Pride Month finden dabei weltweit auch Pride Paraden statt, im europäischen Raum als Christopher Street Day (CSD) bekannt, die vereinzelt auch einige Monate davor und danach stattfinden können.
Den Pride Month gibt es nun schon mehr als 50 Jahre in Deutschland. Da wir als medienpädagogische Jugendeinrichtung für Gleichstellung, Diversität und Inklusion, sowohl in der Offline-Welt als auch in digitalen Räumen stehen, ist es uns wichtig, den Pride Month zu nutzen und ein Licht auf den Teil der Gesellschaft zu werfen, um den es in diesem Monat geht. Dieser Beitrag zielt darauf ab, Begrifflichkeiten zu erläutern, auf Diskriminierung aufmerksam zu machen, Menschen für queere Personen im eigenen Umfeld sowie für queere Themen zu sensibilisieren. Wenn nicht anders kenntlich gemacht, wird der Begriff „queer“ als Sammelbegriff verwendet, um alle sexuellen und geschlechtlichen Identitäten anzusprechen.
Wir unterteilen diesen Rategeber in drei Teile, die sich mit verschiedenen Aspekten rund um die LGBTQIA+ Community befassen:
Gliederung
1. Was ist Pride?
In diesem Punkt unternehmen wir einen kleinen Abstecher in die Geschichte des Pride Months und erklären LGBTQIA+ spezifische Begriffe wie nicht-binär, heteronormativ, queer oder cisgeschlechtlich.
2. Queer im Netz – Inklusion und Diskriminierung
Hier geht es um das Nutzungsverhalten queerer Jugendlicher und junger Erwachsener von Internet und Videospielen, einschließlich der positiven und negativen Erfahrungen, die innerhalb dieser digitalen Räume gemacht werden (können). Gleichzeitig gibt es auch Tipps und Handlungshinweise, anhand derer Mobbing und Hass-Kommentaren im Internet und in digitalen Spielen entgegengewirkt werden kann.
3. “Coming-Out” oder “Inviting-In” – LGBTQIA+ im Freundes- und Verwandtenkreis
Dieser Punkt soll informieren und Unterstützung bieten, richtet sich sowohl an Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche. Ihr Kind, ein*e Freund*in, ein*e Verwandte*r äußert das Empfinden, nicht heterosexuell oder cisgeschlechtlich zu sein und Sie suchen Rat, wie Sie mit dieser Situation umgehen und die Person unterstützen können? Ihr empfindet euch selbst als Teil der LGBTQIA+ Community und sucht Unterstützung oder Ratschläge, wie ihr das euren Freund*innen oder Eltern erzählt? Diese Infos gibt es hier.
Wir hoffen mit diesem Ratgeber einen progressiven und positiven Diskurs anzuregen; ob auf Ihrem Arbeitsplatz, in Ihrem Bekanntschaftskreis oder Ihrem Zuhause. Um so sensibel wie möglich mit diesem Thema umzugehen, sind die nachfolgenden Texte und viele der Ratschläge von den Informationstexten der nachfolgend verlinkten Webseiten inspiriert und an diese angelehnt. Wir möchten ebenfalls niemanden ausschließen und hoffen diese Themen mit einer sensiblen und richtigen Tonart angegangen zu haben. Für Verbesserungsvorschläge und konstruktive Kritik sind wir offen.
Was ist Pride?
Der Pride Month ist ein international abgehaltener Monat, welcher der LGBTQIA+ Community gewidmet ist. LGBTQIA+ ist ein Akronym, das stellvertretend für alle queeren Menschen steht und wird im Glossar weiter unten näher erläutert. Im Pride Month wird die LGBTQIA+ Community zelebriert, es wird für ihre Rechte eingestanden und die Stimmen der Community lauter gemacht. Dies findet statt in Form von Paraden, wie die berühmten Christopher Street Days, Demonstrationen, Live-Performances (bspw. Drag oder Theater) und Gedenkfeiern an die Menschen der Community, die ihr Leben durch HIV/Aids verloren haben. Gerade der letzte Punkt ist mit der LGBTQIA+ Community besonders eng verzahnt. Da sich Aids in der Schwulen-Szene in den 70er/80er Jahren besonders schnell ausbreitete, galt sie zunächst als schwul-bedingte Krankheit. Die Stigmatisierung gegenüber an Aids erkrankten Personen war enorm. William F. Buckley, ein Berater und Freund des US-Präsidenten Ronald Reagan, forderte, dass schwulen, an Aids erkrankten Männern ihr Krankheitsstatus auf das Gesäß tätowiert werden solle. Es waren schwule Männer, die schließlich vor allem in Großstädten Aids-Hilfen gründeten und Aufklärungs- sowie Präventionsarbeit leisteten. Mitte der 90er Jahre galt in den USA Aids als die Haupttodesursache bei jungen Männern im Alter von 24 bis 44 Jahren.
Der Zusammenhang und die Geschichte des HI-Virus und der LGBTQIA+ Community ist groß und würde für diesen Ratgeber einerseits den Rahmen sprengen, andererseits trifft es auch nicht das Thema dieses Ratgebers. Möchten Sie sich in das Thema einlesen, so finden Sie hier einen Bericht der Bundeszentrale für politische Bildung, hier eine englische Ressource von PublicHealth.org und hier eine auf die USA bezogene Zeitleiste zu HIV und Aids seit den ersten bekannten Fällen in den frühen 1980er Jahren. Damit wird deutlich: Der Pride Month ist nicht nur eine bunte Feier, sondern ist im Kern auch politischer Aktivismus. Bekannt als Symbol des Pride Months gilt der Regenbogen bzw. die Regenbogenflagge, die in den letzten Jahren stetigem Wandel unterlag.
Gilbert Pride Flagge von 1977, entworfen von Gilbert Baker. Die allererste Pride Flagge.
Das weltweit bekannte Design entstand kurz nach dem ersten Entwurf. Harvey Milk, der erste geoutete schwule Mann, der in den USA ein öffentliches Amt bekleidete, beauftragte Gilbert Baker zum Anlass seiner Amtsbekleidung ein positives Design zu erstellen. Aus Produktionsgründen fielen Pink und Türkis aus dem Originaldesign weg. Sie gilt noch heute als Flagge für alle sexuellen Minderheiten.
Philadelphia Pride Flag von 2017. Schwarz und Braun stehen hierbei für People of Color (PoC), Menschen mit Rassismuserfahrungen. Das Ziel ist PoC stärker zu inkludieren.
Die Progress Pride Flag von dem*der nichtbinären Grafikdesigner*in Daniel Quasar. Daniel Quasar verwendet die Pronomen xe/xyr. Quasars Flagge enthält die originale Regenbogenflagge und einen Keil in den Farben der Trans-Flagge und braun und schwarz, die Farben der marginalisierten Teile der LGBTQIA+ Community. Der Keil soll dabei symbolisieren, dass noch viel Fortschritt vor der LGBTQIA+ Community liegt.
Die aktuellste Pride Flag. Gestaltet von Valentino Vecchietti, eine*r intersexuellen Aktivist*in. Dieses Design fügt der Quasar Flag noch die Flagge von Inter* Leuten hinzu.
Die Herkunft und Bedeutung der Flaggen gibt es unter anderem nachzulesen im queer-lexikon.
Der Ursprung des Pride Months findet sich in den Stonewall Aufständen im Jahr 1969. In den 1960er Jahren kam es in den Vereinigten Staaten immer öfter zu gewaltsamen Razzien in Schwulenlokalen, bei welchen die Identitäten der Besuchenden festgestellt und öffentlich gemacht wurden. Sie wurden für ihr „anstößiges Verhalten“ festgenommen. In der Nacht zum Samstag des 28. Juni 1969 stürmte die Polizei der Stadt New York City das Stonwall Inn, eine Bar mit homosexueller und transidenter Zielgruppe; gelegen in der Christopher Street. Die Besuchenden des Lokals ließen sich das gewaltsame Vorgehen der Polizei nicht gefallen und leisteten Widerstand. In Folge dessen entwickelte sich die Situation zu einem gewaltsamen, mehrtägigen Aufstand.
Schlüsselpersonen des Aufstandes waren
Marsha P. Johnson, eine schwarze trans* Frau und Drag Queen, die sich für Schwulen- und Transrechte einsetzte;
Sylvia Rivera, ebenfalls trans* Frau, Drag Queen, Schwulen- und Transgenderrechts-Aktivistin, die zusammen mit Marsha P. Johnson die Street Transvestite Action Revolutionaries Gruppierung gründete, die sich das Ziel setzte, jungen wohnsitzlosen Drag Queens, Homosexuellen und trans* Frauen zu helfen;
Stormé DeLarverie, eine lesbische Frau, Drag King und Schwulenrechtaktivistin, die sich in der Nacht der Stonewall Aufstände mutmaßlich körperlich, mit einem Faustschlag, gegen die Polizei gewehrt haben soll.
Eine weitere wichtige Person für die moderne LGBTQIA+ Bewegung war Brenda Howard. Howard war bisexuell, polyamor und sex-positive Feministin. Bekannt als die “Mother of Pride” war es Howard, deren Arbeit zur ersten Pride Parade am 28. Juni 1970 führte.
Ab und an liest man die Frage „Warum gibt es keinen Monat für ‘Straight Pride’?“, also einen ähnlichen Monat für heterosexuelle Menschen. Diese Frage lässt sich simpel beantworten. Heterosexuelle Personen haben eine besondere Stellung in unserer Gesellschaft, mit der Privilegien einhergehen, die Menschen der LGBTQIA+ Community nicht besitzen. Heterosexuelle Personen müssen keine Angst haben, aufgrund ihrer Sexualität ihren Arbeitsplatz zu verlieren, von Fremden attackiert oder anderweitig diskriminiert zu werden, wenn sie ihre Sexualität öffentlich ausleben; wie etwa bloßes Händchenhalten mit der*dem Partner*in. Dieser Artikel von schau-hin behandelt den Pride Month und die nachfolgenden Themen in einer Kurzform.
Glossar
Es folgt nun ein Glossar, der einen Überblick über wichtige Begriffe geben soll und diese erläutert.
Ally: Ein Begriff aus dem Englischen. Der Begriff beschreibt Menschen, die sich aktiv für die Rechte von LGBTQIA+ Menschen einsetzen. Hauptsächlich gebraucht für heterosexuelle und cisgeschlechtliche Menschen, kann dieser auch verwendet werden für Menschen innerhalb der LGBTQIA+ Szene, die sich gegenseitig unterstützen. Heterosexuelle cis Personen können dabei nicht sich selbst oder andere heterosexuelle cis Personen zum Ally ernennen.
Abrosexuell: Es wird davon ausgegangen, dass sich die Sexualität beim überwiegenden Teil der erwachsenen Menschen nicht ändert. Bei abrosexuellen Personen ist dies nicht der Fall. Abrosexuelle Personen sind Menschen, deren sexuelle Identität sich verändert bzw. fluide ist. Sie können eine Woche lang schwul sein, an zwei weiteren Tagen asexuell und am übernächsten bisexuell.
Asexuell: Asexuelle Personen haben entweder kein oder nur partielles sexuelles Interesse an anderen Menschen. Da Asexualität ein Spektrum ist, können asexuelle Personen aus verschiedenen Gründen trotzdem sexuelles Interesse haben bzw. sexuell agieren. Demisexualität ist eine Unterform, bei der sexuelles Interesse an einer Person erst entsteht, nachdem eine tiefe emotionale Bindung zu dieser aufgebaut wurde.
Aromantisch: Aromantische Personen haben kein Interesse an romantischen Beziehungen, können allerdings sehr wohl sexuelles Interesse und Verlangen haben.
Bisexuell: Im veralteten Sinne das Interesse an Frauen und Männern, im moderneren Kontext das emotionale, romantische und sexuelle Interesse an dem gleichen und anderen Geschlechtern bzw. an mehr als einem Geschlecht. Wird oft synonym mit Pansexualität verwendet, ist faktisch jedoch nicht ganz richtig. Das American Institute of Bisexuality deutet Bisexualität als einen breiten, inklusiven Begriff. Bisexualität beschreibt ein emotionales, romantisches und sexuelles Interesse, welches „not limited to one sex“ (zu deutsch: “nicht auf ein Geschlecht reduziert”) ist. Im englischsprachigen Kontext gibt es allerdings einen Unterschied zwischen sex und gender, also dem biologischen und dem sozialen Geschlecht. Allerdings erklären sie weiter, dass der Begriff der Bisexualität selbst keine Unterschiede macht und alle biologischen und sozialen Geschlechter inkludiert. So ließe sich Bisexualität je nach persönlicher Ansicht definieren; als dass sich angezogen fühlen zu:
- Männern und Frauen
- dem gleichen und anderen Geschlechtern
- allen Geschlechtern
- allen, unabhängig des Geschlechts (was sich mit Pansexualität deckt)
Bisexualität ist ein dynamisches Spektrum, das sowohl heterosexuelle als auch homosexuelle Verhaltensweisen einspannt. Die Anziehung zu verschiedenen Geschlechtern muss dabei nicht gleich stark sein, sondern kann variieren. Bisexuelle Personen können auch in einer langjährigen monogamen Beziehung mit Personen eines Geschlechts sein oder auch sexuelle Erfahrungen mit nur einem Geschlecht gemacht haben. Das macht eine Person nicht weniger bisexuell oder zu prozentualen Teilen hetero und homosexuell, sondern sie ist schlicht bisexuell.
Cisgeschlechtlich: Kurz auch „cis“. Cisgeschlechtliche Menschen identifizieren sich mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt “zugeteilt” worden ist.
Coming Out: Beschreibt den Prozess der Erkenntnis der eigenen Sexualität oder Geschlechtsidentität (inneres Coming Out) und das gegebenenfalls Öffentlich-Machen dieser (äußeres Coming Out). Abgeleitet von der englischen Redewendung „to come out of the closet“ (aus dem Schrank heraustreten). Der Historiker George Chauncey beschreibt in seinem Buch “Gay New York” von 1994, das Männer vor dem ersten Weltkrieg allerdings von einem Coming In (bsp.: Coming into gay society) sprachen, angelehnt an Debütantinnen, frisch volljährige Frauen aus erhobenen Gesellschaftsschichten, die in die Gesellschaft eingeführt wurden, ab diesem Zeitpunkt also gesellschaftlich als heiratfähig galten.
Dyadisch: Dyadisch beschreibt einen Menschen, der nicht inter* ist. Die Körper von dyadischen Menschen entsprechen damit den medizinischen Vorstellungen von Mann und Frau.
FLINTA*: Abkürzung für Frauen, Lesben, inter*, nicht-binäre, trans* und agender Personen. Häufig verwendet im Kontext von Veranstaltungen, die sich ausschließlich an die benannten Personengruppen richten. Cis Männer sind von diesen Veranstaltungen ausgeschlossen.
Gender/Geschlecht/geschlechtliche Identität: Das Geschlecht bzw. die geschlechtliche Identität beschreibt soziale und kulturelle geschlechtsbezogene Aspekte der eigenen Identität bzw. eines Menschen. Diese Identität ist nicht statisch, sondern kann sich im Laufe des Lebens durchaus ändern. So empfindet man sich entweder als Mann, als Frau, als beides, als keines von beidem. Die geschlechtliche Identität eines Menschen lässt sich also nicht vom Körper, Aussehen oder Auftreten eines Menschen ableiten.
Gendern: Die Kenntlichmachung von Geschlecht in Sprache. Klassisch hält sich bis heute das generische Maskulinum, bei der nur die männliche Form angesprochen wird (bspw. „die Schüler“, „die Ärzte“, „die Polizisten“) und macht folglich alle anderen Geschlechtsidentitäten unsichtbar und verstärkt damit gleichzeitig Stereotype. Gendern hilft dabei, nicht zu diskriminieren und gleichzeitig auch Frauen, Mädchen, inter*, trans* und queere Personen anzusprechen und einzubeziehen.
Veraltete Formen die man noch antrifft sind:
- das Binnen I – „Die SchülerInnen“
- die Gender_Gap – „die Schüler_innen“
Heute übliche Formen:
- das Gender*Sternchen – „die Schüler*innen“
- der Gender:Doppelpunkt – „die Schüler:innen”
Gerade das Binnen I ist eine überholte Form zu gendern, da durch die Aussparung des Glottisschlags beim Reden von einem binären Geschlechtersystem ausgegangen wird. Aber auch die heute übliche Form des Gender:Doppelpunktes steht in der Kritik. Gründe hierfür sind unter anderem die mangelnde Barrierefreiheit.
Genderqueer: Eine Form der Nichtbinarität. Eine genderqueere Person kann und/oder will sich nicht mit den zwei gesellschaftlich anerkannten Geschlechtern, also Mann und Frau, identifizieren. Genderqueer ist eine Identität, die, wie schon im Punkt der geschlechtlichen Identität angesprochen, nicht vom äußeren Erscheinungsbild einer Person abgeleitet werden kann.
Genderfluid: Eine Form der Nichtbinarität. Eine genderfluide Person hat eine flexible Geschlechtsidentität. Es können mehrere oder auch gar keine fest zugeschriebenen Geschlechtsidentitäten zur selben Zeit bestehen. Manche genderfluide Personen wechseln ihren Namen und ihre Pronomen je nach Identität, manche nicht.
Geschlechtsdysphorie/Geschlechtseuphorie: Geschlechtsdysphorie beschreibt ein körperliches und soziales Unwohlsein, das seinen Ursprung darin findet, dass die betroffene Person von anderen nicht in ihrem Geschlecht anerkannt, also bewusst misgendert wird oder sie ihren eigenen Vorstellungen ihres Geschlechts nicht entspricht. Misgendern meint dabei, eine Person auf eine Weise anzusprechen, die nicht ihrem Geschlecht entspricht. Geschlechtsdysphorie ist einer der Gründe, warum trans* Menschen eine Transition anstreben oder vollends durchführen. Das Gegenstück der Geschlechtsdysphorie ist die Geschlechtseuphorie.
Heterosexualität: Heterosexualität setzt eine Gesellschaft voraus, in der nur Männer und Frauen denkbar sind. Eine heterosexuelle Person hat ein emotionales, romantisches und sexuelles Begehren an Personen des jeweils anderen Geschlechts. Diese Sexualitiät gilt in der heutigen Gesellschaft als Norm, während andere Sexualitäten und Geschlechtsidentitäten abgewertet werden.
Viele Menschen, die sich als hetero bezeichnen, können auch nicht hetero sein. Dies kann beispielsweise dann passieren, wenn sich z.B. das sexuelle Interesse eines Mannes an eine Person richtet, die bei der Geburt als weiblich eingeordnet wurde, sich aber gar nicht als Frau identifiziert.
Heteronormativität: Eine Weltanschauung, in der Heterosexualität und Cisgeschlechtlichkeit als „normal“ und „natürlich“ angesehen werden. Unsere Gesellschaft ist heteronormativ aufgebaut und ist nach einer binären Geschlechtsordnung organisiert. Umkleiden, Toiletten, Kleidung sind aufgeteilt in männlich und weiblich. Personen, die nicht cis sind, fallen so durchs Raster und werden unsichtbar gemacht. Geschlechtliche und sexuelle Identitäten, die von dieser vermeintlichen Norm abweichen, werden diskriminiert, verfolgt oder verdrängt. Heteronormativität ist die Basis gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, wie bspw. Trans*-, Homo-, Queerfeindlichkeit. Dies manifestiert sich bspw. in sogenannten „Konversionstherapien“, bei denen man versucht, queere Personen „normal“ zu machen. Diese Therapien sind keine Therapien, richten bei den Betroffenen in den meisten Fällen enorme Schäden an und sind seit 2020 per Gesetz verboten.
Homofeindlichkeit/Homophobie: Abwertung, Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt gegenüber homosexuellen Personen. Der Begriff Homofeindlichkeit wird dem Begriff der Phobie vorgezogen, da die Diskrimierung gegenüber Homosexuellen in Hass und Ablehnung und nicht in Angst begründet ist. Homofeindlichkeit besteht aus heteronormativen Stereotypen und kann auch heterosexuelle Menschen treffen, die als homosexuell wahrgenommen werden. Ein typisches Beispiel ist die Verwendung des Wortes „schwul“ als Beleidigung. Homofeindlichkeit ist eine von vielen Formen der Diskriminerung gegenüber marginalisierten sexuellen und geschlechtlichen Identitäten. Ähnliche Formen der Diskirminierung sind unter anderem die Trans*feindlichkeit, Bifeindlichkeit oder direkt als Überbegriff die Queerfeindlichkeit.
Homosexualtität: Ein emotionales, romantisches und sexuelles Begehren gegenüber dem gleichen Geschlecht. Homosexualität erfährt zwar immer breitere Anerkennung, dennoch haben homosexuelle Menschen immer noch mit Diskriminierung zu kämpfen.
IDAHOBIT: Abkürzung für den Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter*-, und Trans*feindlichkeit (aus dem engl. International Day Against Homophobia, Biphobia, Interphobia and Transphobia). Dieser Tag findet international jährlich am 17. Mai statt. An diesem Tag werden durch verschiedene Aktions-, Informations- und Aufklärungsformate auf LGBTQIA+ Personen aufmerksam gemacht. Das Datum ist gezielt gewählt. Es erinnert an den 17. Mai 1990, an dem die WHO beschlossen hat, Homosexualität aus dem ICD, dem Diagnoseschlüssel für Krankheiten, zu streichen.
Inter*: Als Inter* werden Personen bezeichnet, deren Körper in irgendeiner Weise von den gesellschaftlichen und medizinischen Vorstellungen von Zweigeschlechtlichkeit abweichen. Häufig wird diese Intergeschlechtlichkeit an „geschlechtlichen Merkmalen“ gemessen, etwa der Ausprägung von Geschlechtsorganen, des Hormonsystems oder des Chromosomensatzes. Unabhängig ihrer Intergeschlechtlichkeit können Inter* Personen auch cisgeschlechtlich oder trans* sein. Bis heute wird Intergeschlechtlichkeit pathologisiert, also als „krank“ eingestuft. Wird bei einem Kind Intergeschlechtlichkeit festgestellt, werden oft geschlechtszuweisende Eingriffe ohne die Zustimmung der Betroffenen und vor allem ohne eine medizinische Notwendigkeit vorgenommen. Dies ist im Kern eine Menschenrechtsverletzung und widerspricht dem Recht auf Selbstbestimmung. Viele Inter* Kinder leiden lebenslang unter den Folgen dieser Eingriffe, körperlich als auch psychisch.
Intersexualität: Medizinischer Begriff, der für Personen verwendet wird, die nach medizinischen Kriterien nicht eindeutig als männlich oder weiblich eingeordnet werden kann. Siehe Inter*.
LGBTQIA+: Ursprünglich nur LGBT. Eine aus dem englisch stammende Abkürzung. Sie steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Queere, Inter* und Asexuelle Personen (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer, Intersex, Asexual). Das Plus dient als Platzhalter und bedeutet, dass die Abkürzung um eine Vielzahl weiterer Begriffe erweitert werden kann. Diese Abkürzung steht allerdings auch in der Kritik. Je größer das Akronym, um möglichst vollständig zu sein, desto weniger ließe sich die spezifischen Lebenslagen der unterschiedlichen Gruppen erkennen und darauf bezogene politischen Interessen formulieren. Die Deutsche Variante ist LSBTQIA+.
Mehrfachdiskriminierung (Intersektionalität): Der Begriff wurde Anfang der 1990er von Kimberlé Crenshaw gemünzt. Er meint die Überschneidung und das gleichzeitige Auftreten von Diskrimierungskategorien gegenüber einer Person. Eine Person kann nicht nur wegen ihrer sexuellen und/oder geschlechtlichen Identität diskriminiert werden, sondern beispielsweise auch wegen ihrer Herkunft, ihres Aussehens, ihres Alters, ihrer Sprache, ihres Glaubens oder bestimmten Beeinträchtigungen. Entsprechend kann eine trans* Person mit Behinderung diskriminiert werden, weil sie einerseits eine Behinderung hat und andererseits trans* ist. Diese beiden Diskriminierungsformen können sich aber auch verbinden und ganz spezifische Formen von Diskrimierung hervorrufen, die andere körperlich beeinträchtigte Personen oder trans* Personen nicht erleben, sondern eben nur körperlich beeinträchtigte trans* Personen. Dies führt auch dazu, dass benachteiligte Personen sich nur bedingt ihren Communities zugehörig fühlen. Ein schwarzer Schwuler kann in seiner schwarzen Community Homofeindlichkeit erleben und in der schwulen Community Rassismus. Oft schaffen Betroffene dann eigene Communities, die sich genau auf diese Überschneidungen konzentrieren.
MOGAI: Abkürzung die für „marginalisierte Orientierungen, Geschlechtsidentitäten und Intersex“ steht. MOGAI als Sammelbegriff versucht eine Alternative zur LBGTQIA+ zu bilden, bei der nicht die einzelnen sexuellen und geschlechtlichen Identitäten aufgezählt werden. Der Schwerpunkt liegt stattdessen auf der Marginalisierung, um Ausschlüsse zu vermeiden und so die Gemeinsamkeiten zu betonen.
Nichtbinarität: Nichtbinär ist kein einheitliches Identitätskonzept, sondern ein Überbegriff für alle Geschlechter, die nicht rein männlich oder weiblich sind. Weitere Begriffe sind abinär oder enby, die im Grunde alle dasselbe bedeuten und je nach persönlicher Vorliebe genutzt oder abgelehnt werden.
Outing: Das Gegenstück zum Coming Out. Beim Outing werden die sexuelle und/oder geschlechtliche Identität von queeren Personen gegen deren Willen öffentlich gemacht.
Pansexuell: Ein pansexueller Mensch hat emotionales, romantisches und sexuelles Begehren an Personen, unabhängig von deren Körper oder Geschlecht. Manche Menschen benutzen Bi- und Pansexualität gleich, andere bevorzugen den Begriff Pansexualität, da dieser sich vom dominierenden Zweigeschlechtssystem abgrenzt. Siehe Bisexualität.
Polysexuell: Polysexualität hat Ähnlichkeit mit Pansexualität. Ein polysexueller Mensch fühlt sich dabei emotional, romantisch und sexuell zu Menschen mehrerer Geschlechter, aber nicht aller Geschlechter angezogen.
Queer: Ein englischer Begriff, der im deutschen etwa „seltsam“ oder „komisch“ bedeutet. Wird heute verwendet, um insgesamt von nicht-heterosexuellen und nicht-cisgeschlechtlichen Menschen zu sprechen. Ursprünglich ein abwertender Begriff, wurde er seit den 1990er Jahren in eine selbstbewusste, stärkende Selbstbeschreibung umgedeutet.
Sexualität/Sexuelle Identität/Sexuelle Orientierung: Die Sexualität beschreibt, zu welchen Geschlechtern ein Mensch sich hingezogen fühlt. Homo-, Hetero-, Bi-, A-, Pansexualität sind verschiedene Sexualitäten.
Trans*: Meist dyadische (siehe dyadisch) Menschen, die sich nicht oder nur teilweise mit dem Geschlecht identifizieren, welches ihnen zur Geburt zugeteilt wurde. Trans* ist somit beispielsweise ein Kind, das bei der Geburt als Junge klassifiziert wird, aber im Laufe seines Lebens feststellt, dass es ein Mädchen ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Personen rechtliche oder medizinische Maßnahmen wünschen, wie Namensänderungen oder geschlechtsangleichende Operationen. Trans* ist ein Überbegriff und schließt Begriffe wie „transident“, „transgender“ und „transsexuell“ ein, allerdings hat der Begriff „transsexuell“ für viele trans* Personen eine negative Bedeutung aufgrund der engen Verbindung mit Recht und Medizin.
Transition: Beschreibt den Prozess zwischen dem Erkennen des eigenen Trans* Seins und dem Ende des „Ankommens“ in der passenden Geschlechtsidentität. Dieser Prozess kann verschiedene rechtliche und medizinische Maßnahmen enthalten, ist aber nicht zwingend und macht eine Person nicht mehr oder weniger Trans*. Die Transition ist dann abgeschlossen, sobald die betroffene Person sich in ihrer Geschlechtsidentität angekommen fühlt.
Dies sind nur einige der vielen wichtigen Begriffe, die im Bezug auf die LGBTQIA+ Community wichtig sind. Viele dieser Definitionen sind angelehnt an oder direkt aus der Fibel entnommen. Die Fibel ist ein Glossar der Landesfachstelle Hessen „Queere Jugendarbeit“, einem Projekt des Hessischen Jugendrings, gefördert vom hessischen Ministerium für Soziales und Integration. Eine englischsprachige Ressource bereitgestellt von der Human Rights Campaign, eine der größten LGBTQIA+ Organisationen der Vereinigten Staaten, gibt es hier.
Queer im Netz – Inklusion und Diskriminierung
Queerfeindlichkeit ist kein Thema der Vergangenheit. Zwar hat sich in Deutschland viel getan wenn es um die Rechte von LGBTQIA+ Menschen geht, doch dies sind erst sehr junge Entwicklungen. Holen wir kurz aus und denken zurück: Im Deutschen Reich gilt Homosexualität als „widernatürliche Unzucht“, eine Straftat „gegen die sexuelle Selbstbestimmung“. Wer schuldig ist, so heißt es im Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches von 1871, ist mit Gefängnis und dem Verlust von bürgerlichen Ehrenrechten zu bestrafen. Im Laufe der Jahre erhält dieses Gesetz zwar eine Handvoll Änderungen, hält sich allerdings ganze 122 Jahre. Erst im Jahr 1994, keine dreißig Jahre her, beschließt der Bundestag, den Paragraphen § 175 StGB aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Im Jahr 2001 wird die eingetragene Lebensgemeinschaft möglich gemacht, die sich jedoch von der heterosexuellen Ehe unterscheidet. Die richtige Ehe für Lesben und Schwule gibt es gerade erst seit fünf Jahren. Von der Blutspende ausgeschlossen sind Schwule und Männer, die Sex mit Männern haben, weiterhin, sofern diese regelmäßigen sexuellen Kontakt zu anderen Männern pflegen. Auf Männer die an HIV erkrankt sind liegt weiterhin ein starkes Stigma. Moderne Homofeindlichkeit hat dabei auch einen sehr subtilen Charakter. Sie zeigt sich in Aussagen wie „Homosexuelle sollen nicht so viel Wind um ihre sexuelle Identität machen“ oder etwa in der Frage nach einem „Cis-Beauftragten“ oder einem Monat für heterosexuelle Personen.
Anhand der Daten in der Studie zeichnet sich ein Bild ab, das viele überraschen könnte.
Angesichts der wachsenden Repräsentation von queeren Menschen in den Medien, der Politik, den Gesetzesänderungen der letzten Jahre und vielem mehr scheint es so, als erfahren queere Personen Jahr für Jahr mehr Akzeptanz. Alltagsdiskriminierung ist allerdings nach wie vor stark vertreten. Eine Studie aus dem Jahr 2017 der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigt, dass sich 95% der Befragten zunächst gegen die Diskriminierung von homosexuellen und bisexuellen Menschen ausspricht; die Akzeptanz allerdings sinkt, je konkreter die Fragen werden. Die Öffnung der Ehe für Lesben und Schwulen befürworten 12% weniger der Befragten, zur Adoption von Kindern bei gleichgeschlechtlichen Paaren sank die Befürwortung noch weiter. Anhand der Daten in der Studie zeichnet sich ein Bild ab, das viele überraschen könnte; die gesellschaftliche Akzeptanz von queeren Personen nimmt ab, je öffentlicher diese ihre sexuelle/geschlechtliche Identität ausleben und wie nahe sie der befragten Person stehen. Als Beispiel: Einen homosexuellen Kollegen empfänden 12% der Befragten als unangenehm; die Zahl steigt auf 40% wenn das eigene Kind homosexuell wäre.
Es ist nicht weltfremd zu behaupten, dass sich der Alltag von queeren Heranwachsenden in hohem Maß herausfordernd und zwiespältig gestalten kann. Neben den typischen Herausforderungen, die mit dem Erwachsenwerden verbunden sind, müssen sich queere Heranwachsende zudem auch noch in einer ihnen oft nicht freundlich gesinnten heteronormativen Gesellschaft verorten. Zwar bieten Internet, öffentliche Räume und Vereine Möglichkeiten der Vernetzung, bergen aber gleichzeitig auch hohes Diskriminierungspotenzial.
Die Studie Queere Freizeit des Deutschen Jugendinstituts (DJI) macht deutlich, dass LGBTQIA+ Jugendliche und junge Erwachsenen in allen Aspekten ihrer Freizeitgestaltung Diskriminierung erfahren oder erfahren haben. Befragt wurden dabei Jugendliche und Erwachsene in der Altersspanne 14-28 (Durchschnittsalter etwa 21 Jahre) zu ihren Inklusions- und Exklusionserfahrungen in Freizeit, Kultur und Sport. Dem DJI zu Folge werden diese Negativerfahrungen oft bewältigt, aber ebenso oft werden diese einfach vermieden. Freizeit und Beratungsangebote treten hierbei in eine unterstützende Rolle. Oft genug verzichten Jugendliche aber darauf, sich in Situationen zu begeben, in denen es zu Diskriminierung kommen kann. Das DJI bezieht sich hierbei auf den Sportbericht der Bundesregierung von 2014, aus dem hervorgeht, dass 2/3 der Jugendlichen in Deutschland nicht an Vereinssport teilnehmen.
Als Einrichtung mit medienpädagogischen Schwerpunkt möchten wir uns auf das Internet und dem digitalen Raum beschränken. Beginnend mit einigen Fakten über das Nutzungsverhalten von queeren Heranwachsenden werden wir anschließend Schutzräume (oder auch „Safe Spaces“) thematisieren. Abschließend folgen Hinweise und Tipps, wie man sich gegen Diskirminierung und Hate Speech (dt. Hassrede) wehren kann.
Fast die Gesamtheit der Befragten (99%) in der Studie Queere Freizeit gaben an, einen Teil ihrer Freizeit im Internet zu verbringen. Zum Surfen im Internet nutzen die Befragten dabei vor allem das eigene Smartphone (94%) oder auch den PC/Laptop (87%). Fast alle Befragten (94%) gaben dabei an, täglich online zu sein; davon beschäftigen sich drei Viertel ganze zwei bis fünf Stunden täglich mit dem Internet. Dies ist wenig verwunderlich, steht das Internet knapp hinter queeren Jugendzentren als ein Bereich der Freizeitgestaltung, an dem queere Jugendliche am meisten Inklusion erfahren und positive Erfahrungen sammeln. Eine überwältigende Mehrheit der Befragten besitzt dabei Konten bei Messenger Diensten und sozialen Netzwerken wie WhatsApp (91,4%), Facebook (80,3%) und YouTube (69,4%), gefolgt von anderen Diensten wie Instagram, Snapchat, Twitter und Tumblr.
Auch sonst zeigt sich, dass queere Heranwachsende das Internet stärker nutzen als ihre cis-hetero Gegenstücke. Eine weitere Umfrage des DJI, AID:A (Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten 2014/2015), welche in der Studie Queere Freizeit referenziert wird, ermöglicht einen Vergleich zwischen queeren Jugendlichen und cis-hetero Jugendlichen. Es fällt auf, dass queere Jugendliche in den Bereichen des Internets, in denen eigenes Engagement gefordert sind, deutlich aktiver sind. Sie sind präsenter in Diskussionsforen (QF 8,9% vs. AID:A 4,3%), stellen häufiger eigene Beiträge ins Netz (QF 13,4% vs. AID:A 3,7%) und bloggen/tweeten deutlich mehr (QF 16,2% vs. AID:A 2,9%).
Gerade im Coming-Out Prozess spielt das Internet für Jugendliche eine signifikante Rolle.
Diese Zahlen verwundern nicht. Gerade im Coming-Out Prozess spielt das Internet für Jugendliche eine signifikante Rolle. An der Stelle des Coming-Out Prozesses, an dem Heranwachsende noch nicht soweit sind mit jemandem über sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität zu sprechen, bietet das Internet Informationen und ist Anlaufstelle für alle Fragen, die im Erfahrungsprozess aufkommen können. Auf YouTube gibt es diverse Kanäle, auf denen Jugendliche und junge Erwachsene ihre Erlebnisse im Coming-Out Prozess dokumentieren. So werden aber nicht nur queere Jugendliche mit den Themen sexueller Vielfalt und Identität konfrontiert, sondern auch cis-hetero Jugendliche können so entsprechend sensibilisiert werden.
Durch das Internet haben queere Heranwachsende also nicht nur die Möglichkeit, Informationen anonym heraussuchen, sondern sich mit Peers in Verbindung setzen zu können, ein Gefühl von Zugehörigkeit zu erfahren und sich schließlich durch Netzwerken ihren eigenen geschützten Raum zu erschließen. Aber auch nach dem inneren Coming-Out Prozess behält das Internet nach wie vor seinen hohen Stellenwert in Bezug auf Kontaktpflege mit Gleichgesinnten oder beispielsweise, wie im letzten Abschnitt angedeutet, auch die Produktion von aufklärenden Inhalten für andere LGBTQIA+ Menschen.
Videospiele gehören ebenfalls zum digitalen Raum und bieten dieselben positiven Möglichkeiten wie das Internet. In einer in den USA durchgeführten repräsentativen Studie der Anti-Defamation League (ADL) wurde, wie in der Studie des DJI, nach Inklusions- und Exklusionserfahrungen gefragt. Wie das Internet sind Online-Videospiele sehr wohl soziale Plattformen, die gleichermaßen die Möglichkeiten bieten, sich mit anderen Leuten zu vernetzen, neue Freundschaften und sogar Gemeinschaften zu schließen. Diese positiven Aspekte von Online-Videospielen sind nicht einmal selten. Die Mehrheit der Befragten (88%) gaben an, schon einmal eine positive soziale Interaktion in einem Online Videospiel gehabt zu haben. Unter diese positiven Interaktionen zählen etwa:
- neue Freundschaften geschlossen (51%),
- anderen Spieler*innen geholfen (50%),
- neue Interessen entdeckt (32%),
- sich als Teil einer Gemeinschaft gefühlt zu haben (30%)
Videospiele (und dabei vor allem Online-Titel) und die anhängende Spieler*innenschaft fungieren für queere Heranwachsende oft zu gleichem Maße als soziales Netzwerk und als Experimentierkasten. Spiele, die queere Themen behandeln, queere Charaktere beinhalten oder Spieler*innen die Möglichkeit geben, eigene Charaktere zu gestalten und queere Romanzen einzugehen, erlauben das „sich ausprobieren“, das Experimentieren und Hinterfragen (oder Bestätigen) der eigenen Gefühle und Identität. Als konkretes Beispiel dient dieser Beitrag auf der Webseite Reddit, bei dem eine trans* Frau durch das Spiel Animal Crossing realisierte, dass sie trans* ist und sich als Frau fühlt.
Trotz der vielen positiven Erfahrungen und dem hohen Grad an Inklusion ist das Internet allerdings gleichzeitig auch der Freizeitbereich, in dem Jugendliche am meisten Diskirminierungserfahrungen erleben. Ein großer Teil (84-88%) der Befragten in der Studie Queere Freizeit gaben an, Diskriminierung in Form von Schimpfwörtern oder Witzen mindestens einmal erlebt zu haben. Nicht selten schreiben Betroffene, dass sie aufgrund einer für andere erkennbare LGBTQIA+ Zugehörigkeit Hass-Kommentaren ausgesetzt waren. Diese reichen von Beleidigungen bis zu Gewalt- und Mordandrohungen. Wie schon oben beschrieben, agieren einige Jugendliche präventiv und beschränken sich selbst in ihrem Verhalten online, basierend auf vergangenen Diskriminierungsvorfällen.
Aus der out online Studie des Gay, Lesbian & Straight Education Network von 2013 geht hervor, dass queere Jugendliche sich online zu gleichen Teilen unsicher fühlen, wie auf dem Schulweg oder in der Schule. Diskriminierung ist allerdings nicht die einzige Art von negativer Erfahrung, die queere Jugendliche in digitalen Räumen erfahren können. Ein Drittel der Befragten gab an, online bereits Opfer von sexueller Belästigung geworden zu sein und es ist viermal wahrscheinlicher, dass queere Jugendliche dies zugeben. Dies trifft besonders auf Frauen bzw. weiblich gelesene Personen zu. Im Internet finden sich viele Berichte, in denen die Betroffenen von sexueller Belästigung in Form von obszönen Kommentaren oder Sprachnachrichten sprechen. Oft erhalten Betroffene unter anderem ungewollt und ungefragt Nacktfotos oder es wird von ihnen verlangt, selbst welche anzufertigen und zu versenden.
Diskriminierung im Bereich Gaming ist bewiesenermaßen leider keine Seltenheit.
Was dann meist folgt ist, wie beschrieben, die Einschränkung des Nutzungsverhaltens. Trotz des statistisch gesehen hohen Anteils von Frauen und weiblich gelesenen Spieler*innen, scheinen diese im Gaming-Bereich kaum zu existieren. Aufgrund der vielen Diskriminierungs- und Belästigungserfahrung beschließen Betroffene zumeist, einfach gar nicht erst ihr Mikrofon anzumachen oder mit anderen Spieler*innen zu kommunizieren.
Diskriminierung im Bereich Gaming ist bewiesenermaßen leider keine Seltenheit. Die Studie der ADL, die unter anderem positive Aspekte von Videospielen aufzeigt, zeichnet allem voran ein sehr ernüchterndes Bild: Eine*r von zwei Spieler*innen wurde Opfer von Diskriminierung wegen eines Teils ihrer Identität (wie bspw. Religionszugehörigkeit, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Ethnie usw.); Spezifischer wurde eine*r von drei queeren Spieler*innen Opfer von Diskriminierung.
Dies geschieht vor allem in populären Spielen mit großer Spieler*innenschaft. An der Spitze der Titel, in denen Spieler*innen am häufigsten Diskriminierungserfahrungen gemacht haben, stehen unter anderem Overwatch, League of Legends, CS:GO und Dota 2 (zwischen 75% – 79%) aber auch in Titeln wie Minecraft und Fortnite haben mindestens die Hälfte der befragten Spieler*innen Diskriminierung erfahren (Minecraft 51%, Fortnite 70%). Wie diese Diskriminierung bei Spielenden ankommt, ist meist über den im Spiel vorhandenen Sprach- und Textchat. Aber auch außerhalb des Spiels, beispielsweise über sekundäre Chat Apps/Programme, haben 10% der Betroffenen Diskriminierungserfahrungen erlebt. In der Studie ist der Begriff Diskriminierung dabei breit gefächert, diese reichen von störenden Eingriffen in das Spielerlebnis, die den Spielspaß verderben sollen, bis hin zu Gewalt- und Mordandrohungen.
An dieser Stelle sind Schutzräume (oder auch „Safe Spaces“) enorm wichtig. Schutzräume meinen hierbei nicht irgendwelche Bunker, aber funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip: Sie können Räume, Orte und Veranstaltungen sein, ob in der reellen Welt oder digital, die in der Regel von Menschen organisiert werden, die selbst Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht haben und/oder sich mit dem Thema Diskriminierung gut auskennen. Diese Räume dienen als Orte, an denen sich Menschen aufhalten können, ohne Gefahr zu laufen, diskriminiert zu werden. Safe Spaces existieren in unterschiedlichen Formen, etwa klassische Jugendzentren mit queerem Schwerpunkt, in Unterforen von Webseiten oder speziellen Servern von Instant Messaging Diensten. Aber auch gezielte LGBTQIA+ Plattformen existieren, die queeren Heranwachsenden und Erwachsenen als Safe Spaces dienen. Die Studie Queere Freizeit bestätigt dabei, dass ein Großteil queerer Jugendlicher (93,3%) LGBTQIA+ spezifische Webseiten kennen und jede*r zweite von ihnen auch ein Konto auf einer LGBTQIA+ spezifischen Webseite besitzt. Dies ist bei queeren Personen und gerade bei queeren Jugendlichen aus ländlichen Regionen besonders häufig. Ein großer Teil der positiven Erfahrungen, von denen in diesem Beitrag gesprochen wurden, finden in diesen Safe Spaces statt.
Doch Safe Spaces allein werden Diskriminierung im Internet und Online Videospielen nicht bekämpfen.
Um möglicher Diskriminierung entgegenzuwirken, werden wir keine Namen zu diesen Plattformen veröffentlichen. Wie sich statistisch zeigt, wissen queere Personen, wie sie zu ihren Safe Spaces finden.
Doch Safe Spaces allein werden Diskriminierung im Internet und Online Videospielen nicht bekämpfen. Was ihr machen könnt, um Queerfeindlichkeit und Hate Speech im Netz entgegenzuwirken und euch zu schützen:
Infos für alle:
Es gilt digital kompetent zu handeln; denkt nach, bevor ihr etwas postet.
Nutzt sichere Passwörter, checkt die Privatsphäre-Einstellungen eurer Apps und sozialen Medien. Das eigene Profil lieber auf privat stellen.
Bei Diensten, die keinen Klarnamen benötigen, sollten auch keine benutzt werden.
Informationen, die andere nicht wissen sollen, haben im Netz auch nichts zu suchen. Das gilt bspw. für Informationen wie Namen, private Telefonnummern, Bilder, eure Adresse und auch Beiträge, dass ihr in den Urlaub fahrt.
Denkt darüber nach, ob ihr durch eigenen Beiträge, eure Likes oder getaggte Fotos, euch selbst oder andere ungewollt outet. Gerade Fotos der eigenen Wohnung, die Straße aus eurem Fenster heraus oder wo ihr euch gerade aufhaltet, können verraten, in welcher Stadt und Straße ihr wohnt oder regelmäßig seid. Auch das Abstellen von Push-Benachrichtigungen kann helfen, Infos geheim zu halten.
Klickt nicht auf Links von unbekannten Personen/Quellen und überprüft, von wem ihr eine Freundschaftsanfrage annehmt.
Umgang mit Diskriminierung…
…als Betroffene*r:
Wenn vorhanden, wende dich an Vertrauenspersonen. Du kannst Posts und Kommentare löschen, Profile blockieren, dein eigenes Profil auf privat stellen und die Kommentarfunktion deaktivieren. Bist du durch die Angriffe auf deine Person nicht mental dazu in der Lage, das selbst zu machen, bitte deine Vertrauensperson darum.
Erstelle rechtssichere Screenshots! Auf so einem Screenshot müssen der diskriminierende Inhalt, Datum, Uhrzeit und (Benutzer*innen-)Name der*des Täter*in sein. Denk auch daran, die URLs zu dem Profil der*des Täter*in und dem diskriminierendem Inhalt zu speichern. Eine ausführliche Anleitung zu rechtssicheren Screenshots findest du hier bei HateAid. Diese Screenshots helfen dir, wenn du die Diskriminierung oder Hate Speech zur Anzeige bringen willst, z.B. bei den Onlinewachen der einzelnen Bundesländer.
Du kannst diese Screenshots auch öffentlich machen, denke aber unbedingt daran, dann den Namen und das Profilbild des*der Täter*in zu schwärzen. Tagge dann auch den*die Seiten-/Forumsbetreiber*in in deinem Post, um auf die Diskriminierung aufmerksam zu machen.
Denk daran, dass Soziale Netzwerke laut Netzwerkdurchsetzungsgesetz dazu verpflichtet sind, gemeldete Hass-Beiträge und Profile innerhalb von 24 Stunden zu überprüfen und bei erkennbaren Rechtsverstößen diese auch zu löschen.
…als Beistehende*r:
Unbedingt gegenreden. Klare Position beziehen, ohne dabei selbst zu beleidigen. Den*die Angegriffene*n stärken und verteidigen und entsprechende Beiträge und Profile melden. Frag im Zweifelsfall bei der betroffenen Person danach, wie du helfen kannst und welche/ob Hilfe erwünscht ist. Handle niemals ohne vorher die Zustimmung des Opfers einzuholen.
…als Elternteil:
Seien Sie Vertrauensperson. Akzeptieren Sie ihr LGBTQIA+ Kind und stärken Sie es. Sensibilisieren Sie Ihre Kinder und klären Sie über Mobbing und Gefahren im Internet auf. Interessieren Sie sich für die Internetnutzung Ihrer Kinder und seien Sie ein gutes Beispiel im Umgang mit Internet und sozialen Medien. Zudem vermeiden Sie das leichtfertige Teilen von Informationen Ihrer Kinder öffentlich im Netz. Auch Ihr Kind besitzt Persönlichkeitsrechte.
…als Betreiber*in eines Forums/Webseite:
Schaffen und Umsetzen von Richtlinien – dazu zählt sichtbares Moderieren, Entfernen von Hass-Kommentaren und Profilen. Klare Position gegen Diskriminierung beziehen. Benutzer*innen nicht nur als potenzielle Opfer, sonder auch als potenzielle Täter*innen ansprechen.
All diese Vorgehensweisen greifen auch in Videospielen. Obwohl queere Spieler*innen eine nicht kleine Gruppe darstellen, haben Videospiele, wie sich gezeigt hat, unzureichenden Schutz gegen Diskriminierungserfahrungen. Dennoch: Meist lassen sich diskriminierende Vorfälle im Spiel über eine Meldefunktion oder im Supportforum des Spielbetriebs melden. Wichtig: Je nach Spiel kann neben Foto-/Video Beweisen, Datum und Uhrzeit auch nach spielinternen Infos gefragt werden, wie etwa eine Match-ID. Eine Match-ID dient dazu eine Spielrunde eindeutig zuordnen zu können. Mit der vollständigen Match-ID werden Support-Mitarbeitende schneller und effizienter den Verstoß finden und gegen diesen handeln können.
Ein umfangreiches Nachschlagewerk zum Umgang mit Hate Speech und Online Mobbing finden sie in unserem peer2peer Guide hier.
Weitere Links:
- Die Internet-Beschwerdestelle gegen rechtswidrige Inhalte im Netz
- klicksafe – die EU-Initiative für mehr Sicherheit im Netz
- Hate Aid – Beratungsstelle für Betroffene digitaler Gewalt
- die Webseite der No-Hate-Speech Bewegung
- Webseite des Projekts „Hass im Netz“ von jugendschutz.net
- die Webseite des Lesben- und Schwulenverbandes
- Juuuport!
- Nummer gegen Kummer / 116111
- Keinen Pixel dem Faschismus!
„Coming-Out“ oder „Inviting-In“ – LGBTQIA+ im Freund*innen-/ Verwandtenkreis
Im englischsprachigen Raum (siehe diesen Flyer der California State University Fullerton) gibt es seit einiger Zeit eine Diskussion zur Unterscheidung zwischen dem klassischen „Coming out“ und dem „Inviting In“. Der Prozess des Coming-Outs spielt eine wichtige Rolle für queere Heranwachsende. Immerhin beginnt die Bewusstwerdung einer von der heteronormativen abweichenden sexuellen Orientierung zwischen 13 und 16 Jahren, bei trans* und gender*diversen Heranwachsenden zwischen 10 und 20 Jahren. Der Unterschied zwischen Coming Out und Inviting In liegt dabei vor allem in einer Machtverschiebung oder auch der Umgestaltung des klassischen Coming-Out-Narrativs.
Queere Personen haben somit das Recht und die Macht über die Wahl, wen sie in ihre eigene, queere Lebenswelt einladen und mit wem sie ihre Identität teilen wollen.
Die Problematik des Begriffs Coming Out liegt darin, dass es als eine Art Übergangsritual gesehen wird. Von queeren Personen wird gesellschaftlich verlangt, ihre sexuelle und geschlechtliche Identität offenzulegen. Dies kann dabei zu überwältigendem Druck bei queeren Personen führen und kreiert gleichzeitig das negative Gefühl, ohne die Öffentlichmachung der eigenen Identität sich selbst und andere zu belügen und/oder nicht „gültig“ zu sein bzw. keine richtige queere Person zu sein. Auch wird der Coming-Out Prozess als ein einmaliges Ereignis angesehen, was ebenfalls nicht wahr ist. Queere Personen stehen vor einem weiteren Coming-Out wann immer diese neuen Menschen, neuen Orten, neuen Arbeitsplätzen begegnen. Der mit dem Coming-Out verbundene Stress kann für queere Personen überwältigend sein, sobald von ihnen verlangt wird, ihre Identität in einer ihnen nicht wertschätzenden oder feindlichen/diskriminierenden Lebenswelt öffentlich zu machen. Es ist wichtig zu verstehen, dass queere Personen nicht dazu gezwungen sind, ihre sexuelle Orientierung und/oder geschlechtliche Identität preiszugeben und ein Coming-Out auch kein Übergangsritus darstellt.
Hier gestaltet und ändert der Begriff „Inviting In“ das Narrativ in einen positiven, selbstbestimmten Ausdruck. Das wortwörtliche „Einladen“ entzieht der Gesellschaft die Macht und übergibt diese queeren Menschen. Queere Personen haben somit das Recht und die Macht über die Wahl, wen sie in ihre eigene, queere Lebenswelt einladen und mit wem sie ihre Identität teilen wollen. Es liegt damit im Ermessen der queeren Person, diese äußert intimen Informationen zu teilen, wann sie es für richtig halten.
Wenn eines klar ist, dann, das queere Personen weitaus mehr Bestätigung und Unterstützung brauchen, als queere Internetforen zur Verfügung stellen können. Queer zu sein oder queere Personen im Bekanntenkreis zu haben kann mit Herausforderungen und Unsicherheit verbunden sein.
Was alle machen können, um queere Personen zu unterstützen:
Informiere dich über die LGBTQIA+ Community und queere Personen. Viele Vorurteile und Stigmata finden ihren Ursprung in Unwissen, Ignoranz und fehlenden Berührungspunkten.
Generell gilt: Entscheidet sich eine Person dir mitzuteilen, dass sie queer ist, dann mit hoher Wahrscheinlichkeit weil sie darauf vertraut, dass du positiv reagieren wirst!
• Zweifel nicht an dem, was sie dir erzählt. Untergrabe die Person nicht mit Aussagen wie „Ich hab’s mir schon gedacht, dass da was anders ist.“ oder „Das ist nur eine Phase.“ und respektiere die Privatsphäre der Person. Wichtig ist vor allem, darauf zu hören, was die Person, die dich eingeladen hat, von dir an Unterstützung will.
• Begegne der Person zudem auch nicht mit Vorurteilen, egal ob diese positiv oder negativ gemeint sind (bsp.: „Ohje, ich wette du hast schon echt viel negative Erfahrungen gemacht!“)
• Wenn dir etwas unklar ist, frag nach.
• Sich selbst zu informieren, ist gut, aber du kannst das auch auf Andere ausweiten. Rede mit deinen cis-hetero Freund*innen über deine LGBTQIA+ Freund*innen/Verwandten/Kinder.
• Hörst du queerfeindliche Kommentare oder Witze, setze dich für queere Personen ein und erkläre, warum diese Kommentare und Witze nicht in Ordnung sind.
• Du kannst Sprache nutzen, die queere Personen inkludiert. Frage queere Personen nach ihren Pronomen und frage nach, wenn du nicht weißt, wie man diese benutzt.
Hast du die falschen Pronomen genutzt, entschuldige dich einfach kurz.
Bekommst du mit, dass eine Person mit den falschen Pronomen angesprochen und sie dabei ist, überlasse es der betroffenen Person, ob sie diese Fehler korrigieren will oder nicht.
• Das bedeutet auch, Fremdbestimmungen sein zu lassen. Man kann Menschen ihre sexuelle oder geschlechtliche Identität nicht von außen “ansehen”. Verzichte auf Beobachtungen wie “So wie der sich verhält, ist er bestimmt schwul.” oder jemanden, von dem du annimmst, eine Frau zu sein, zu fragen “Hast du eigentlich einen festen Freund?”
Diese Art Fremdbestimmungen erzeugen erstens das Gefühl, Erwartungen erfüllen zu müssen, sind zweitens auch recht unhöflich und können drittens queerfeindlich sein. Stelle stattdessen doch einfach neutrale Fragen, etwa “Wie geht es dir?” oder, wenn du die Person schon ein wenig kennst und unbedingt fragen musst, “Bist du in einer Beziehung?”. Das kommt viel besser an.
• Unterstütze queere Personen: Besuche queere Events, unterstütze queere Organisationen, kommentiere und teile Inhalte von LGBTQIA+ Plattformen.
• Für Eltern: Kinder früh auf queere Lebensweisen zu sensibilisieren, kann ein mögliches Coming-Out des eigenen Kindes wesentlich einfacher gestalten.
Natürlich kann es bei all diesen Punkten passieren, dass andere Personen glauben, du bist selbst queer oder dich fragen, ob du queer seist. Das ist sehr wohl möglich. Die Antwort darauf ist allerdings simpel. LGBTQIA+ Menschen zu unterstützen muss nicht heißen, dass man selbst queer ist, sondern dass man Menschenrechte achtet und alle Menschen respektiert und wertschätzt. Als ein*e Verfechter*in und Unterstützer*in von LGBTQIA+ Personen gehst du als gutes Beispiel voran. Die Chancen stehen gut, dass andere mitlaufen werden.
Für Eltern: “Ich habe den Verdacht…/Mein Kind ist…” – Wie gehe ich damit um?
Bevor wir das „Was jetzt?“ behandeln, widmen wir uns erst dem „was wenn?“. Informieren Sie sich erst einmal über queere Personen. Dieses Vorwissen zu haben, erleichtert es Ihnen später damit umzugehen, wenn Ihr Kind Ihnen sagt, dass es queer ist.
Queer sein ist keine Krankheit. Man wird queer geboren.
Queer sein ist keine Krankheit. Man wird queer geboren. Personen, die Ihnen weismachen wollen, die sexuelle Orientierung ihres Kindes heilen zu können, sind Betrüger*innen. Zudem sind Konversionstherapien strafbar. Ihr Kind ist schwul, lesbisch oder trans, wie es grün, blau oder braunäugig sein kann. In der Regel liegt der einzige Unterschied zwischen einer queeren Person und einer heterosexuellen Person in der sexuellen Orientierung. Diese ist allerdings eine private Angelegenheit. Sie würden ihr heterosexuelles Kind sicherlich nicht nach dessen sexuellen Vorlieben fragen, also sollte Sie das bei einem homosexuellen Kind genauso wenig interessieren.
Sollte Ihr Kind queer sein, haben Sie in der Erziehung ihres Kindes nicht versagt. Eine sexuelle Orientierung wird weder angezogen, noch kann sie durch Erziehung verhindert werden. Ihr Sohn wird nicht schwul, weil er mal ein pinken Strampler trug; ihre Tochter wird nicht lesbisch, weil sie lieber mit Spielzeugautos spielt. Machen Sie sich und ihrem Kind keine Vorwürfe. Im Gegenteil, sparen Sie in der Erziehung und der Aufklärung das Thema Homosexualität und queere Menschen nicht aus. Ihr Kind muss wissen, wie Sie zu dem Thema stehen.
Sie müssen sich auch nicht darum sorgen, dass Ihr Kind zwingend an HIV erkrankt, weil es queer ist. Jeder Mensch kann sich mit HIV infizieren, unabhängig der sexuellen Orientierung und geschlechtlicher Identität. Klären Sie Ihr Kind frühzeitig über sexuell übertragbare Krankheiten, Ansteckungsgefahren und Safer Sex auf.
Haben Sie Sorge, keine Enkelkinder kriegen zu können, wenn ihr Kind queer sein sollte? Machen Sie sich bewusst: Die Entscheidung auf eine Elternschaft liegt bei Ihren Kindern, nicht bei Ihnen. Auch heterosexuelle Kinder können sich gegen eine Elternschaft entscheiden oder aus anderen Gründen nicht dazu kommen. Andersrum haben auch queere Personen die Möglichkeit Kinder zu bekommen, etwa durch Adoption oder Co-Elternschaften.
Wenn Sie glauben, Ihr Kind ist queer, aber Sie keine Gewissheit haben, bleiben Ihnen zwei Möglichkeiten für weiteres Vorgehen:
1. Sie trauen sich nicht, zu fragen: Signalisieren Sie Ihrem Kind, dass Sie queer sein und queere Menschen nicht als „unnormal“ sehen. Wie Sie dies machen, bleibt Ihnen überlassen. Sie können ja schwärmen, wie gut Sie es finden, dass Ihre Lieblingsmoderatorin Bella Lesnik offen im Fernsehen zu ihrer Pansexualität steht. Erzählen Sie von diesem tollen Spiel, von dem Sie auf der Webseite des infocafes gelesen haben, in dem man einen trans* Mann spielt. Egal was, sprechen Sie positiv über Nicht-Heterosexualität. Machen Sie deutlich, dass sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität für Sie nichts mit dem Charakter des Menschen zu tun hat.
2. Sie fragen nach: Entscheiden Sie sich zu fragen, nageln Sie Ihr Kind nicht fest. Fragen Sie so, dass Ihr Kind der Frage ausweichen kann, ohne Sie belügen zu müssen. Ist Ihr Kind bereit mit Ihnen zu reden, wird es dies tun. Fragen Sie nicht „Bist du schwul/lesbisch/…?“. Leiten Sie von einem neutralen Thema in eine neutrale Frage. Ein Beispiel: „Ich habe gemerkt, dass du nicht mehr so viel Besuch bekommst und nur alleine ausgehst. Ich habe darüber nachgedacht, woran das liegen könnte. Möchtest du darüber reden?“ Trotzdem gilt: Zwingen Sie ihr Kind zu nichts. Möchte es nicht reden, belassen Sie es dabei.
Nun zum „Was jetzt?“. Ihr Kind legt Ihnen offen, dass es queer ist. Wie reagieren Sie am besten darauf? Im absoluten Traumszenario springen Sie auf vor Freude, umarmen ihr Kind, sagen, dass Sie es lieben und bestärken es, dass es den für sich richtigen Weg geht.
Allerdings kann diese Reaktion niemand von Ihnen erwarten oder verlangen.
Der Zeitraum des Bewusstwerdens der eigenen Sexualität dauert in der Regel mehrere Jahre. Ihr Kind hat damit also einen wesentlichen Vorsprung Ihnen gegenüber, sich selbst akzeptiert zu haben oder aber es hadert immer noch mit der Erkenntnis. Es ist völlig normal, nach einer solchen Nachricht einen Moment zum Nachdenken zu brauchen. Ihr Kind wird Sie also mit Sicherheit verstehen, wenn Sie dies auch zum Ausdruck bringen. Bedenken Sie jedoch, Ihr Kind hat sich Ihnen gegenüber sehr verwundbar gemacht und will vor allem eines wissen: Dass Sie nach wie vor hinter Ihrem Kind stehen und es akzeptieren, wie es ist. Sagen Sie doch beispielsweise: „Das überrascht mich gerade sehr. Ich muss erst einmal für mich darüber nachdenken, lass uns morgen darüber nochmal reden. Aber egal was ist, du bist und bleibst mein Kind und ich werde dich immer unterstützen.“
Sie versichern damit Ihr Kind und gewinnen Zeit, die Sie zum Nachdenken, Informieren und zum Austausch mit einer Vertrauensperson nutzen können. Bitte werfen Sie nicht mit belanglosen Worthülsen umher wie “Ach, da muss nur noch der*die Richtige kommen“ oder „Das ist nur eine Phase, du bist ja noch so jung“. Damit zeigen Sie Ihrem Kind nur, dass Sie nicht bereit sind, es zu akzeptieren. Verstehen Sie nicht, was Ihnen Ihr Kind erzählt, fragen Sie ruhig und sachlich nach. Zeigen Sie Interesse und signalisieren Sie damit gleichzeitig Unterstützung.
Das Schlimmste, was Sie in dieser Situation allerdings machen können, ist Ihr Kind zu verstoßen. Leider gibt es immer noch Eltern, die ihr Kind aus dem Wohnsitz schmeißen. Diese Kinder werden zwangsweise obdachlos und gerade junge schwule Jungs landen auf dem Straßenstrich. Schlimmer noch, manche sehen Selbstmord als einzigen Ausweg. Haben Sie Ihr Kind bereits vor die Tür gesetzt, bewegen Sie sich dazu, es wieder zurückzuholen oder versuchen sie das Verhältnis zu reparieren. Dabei hilft allerdings nur Offenheit und der Wille zur Kommunikation. Ihr Kind wird Ihre Entschuldigung vermutlich akzeptieren, wenn es merkt, dass Sie Ihre Einstellungen und Verhalten entsprechend verändert haben.
Sollten Freund*innen und Familie über ihr queeres Kind reden und lästern, verteidigen Sie Ihr Kind. Gehen Sie Missinformation im Verwandten- und Freundeskreis sachlich an und stellen klar, dass sich im Verhältnis zu Ihrem Kind nichts geändert hat und Sie keine Toleranz für Diskriminierung haben. Haben Sie Freund*innen oder Verwandte, die sich nicht belehren lassen wollen, liegt es an Ihnen, Prioritäten zu setzen.
Ihr Kind ist in Ordnung, wie es ist.
Ganz wichtig, man kann es nicht oft genug sagen: Ihr Kind ist immer noch Ihr Kind. Ihr Kind ist in Ordnung, wie es ist. Auch nicht-heterosexuelle Kinder können ein erfülltes, glückliches Leben führen. Gerade weil Ihr Kind Diskriminierungserfahrungen machen kann und vermutlich auch wird, ist es wichtig, Ihr Kind zu bestärken und ihm mit Liebe und Respekt entgegenzukommen. Wenn Sie auch nach Bedenkzeit nicht in der Lage sind, mit der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität ihres Kindes fertig zu werden, teilen Sie dies Ihrem Kind mit und suchen Sie professionelle Hilfe, wie bei der Familienberatung, einer Coming-Out Beratung oder in Elterngruppen.
Dies alles gilt auch für trans* Kinder. Sie finden in den aufgeführten Links und vor allem im Regenbogenportal des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend viele tolle Infotexte zum Thema Transgeschlechtlichkeit.
Für Kinder und Jugendliche: “Wie erzähle ich anderen, dass ich queer bin?”
Zuallererst: Du musst dich nicht outen, wenn du das nicht willst. Da in unserer Gesellschaft Heterosexualität als die Norm betrachtet wird, erweckt das den Anschein, dass alle die von dieser Norm abweichen dazu verpflichtet sind, das dann auch zu sagen. Oder es heißt, du bist nicht ehrlich mit dir selbst oder mit anderen. Das ist Unsinn. Du bist nicht dazu verpflichtet, dich zu outen und du bist vor allem nicht weniger schwul, lesbisch, bi, pan, queer wenn du es nicht machst.
Überlegen wir aber einmal, was du davon haben könntest, deine sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität offenzulegen. Offen zu leben ist für manche queere Leute der richtige Weg, da sie so frei über ihre Gefühle und ihr Begehren sprechen können. Mit anderen die eigene sexuelle oder geschlechtliche Identität zu teilen ist für manche auch wichtig, weil sie sich klar als nicht-heterosexuell sichtbar machen wollen. Sich zu outen eröffnet aber auch die Möglichkeit, anderen Menschen zu begegnen, die ebenfalls nicht-heterosexuell sind oder eine ähnliche sexuelle oder geschlechtliche Identität haben. Aber wieder, du musst dich nicht outen, wenn du dich dabei nicht wohl fühlst.
Damit kommen wir auch zum nächsten Punkt. Es gibt Menschen, die ganz bewusst darauf verzichten, andere Leute in diesen intimen Teil ihres Lebens einzuladen. Leider ist es so, dass queere Leute Ablehnung, Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren. Manche Menschen wollen dieses Risiko schlicht nicht eingehen. Andere Menschen wiederum sind der Meinung, dass die sexuelle Orientierung nicht in allen Kontexten ihres Lebens wichtig ist. Es spielt ja in der Bäckerei auch keine Rolle, welche Musik du am liebsten hörst. Wenn du dir nicht sicher bist ob du dich outen willst und niemanden zum Reden hast, kannst du dir ja überlegen, zu einer Coming-Out Beratung zu gehen. In Hessen gibt es sowas zum Beispiel bei der Aidshilfe Frankfurt.
So. Nach langem Grübeln, oder vielleicht auch direkt nachdem du für dich festgemacht hast, dass du queer bist, hast du dich nun dazu entschlossen, dich deinen Eltern gegenüber zu outen. Wie gehst du vor, damit das klappt?
Das Wichtigste zuerst: Überlege dir genau, wie du es machst. Finde das für dich richtige Mittel und den für euch richtigen Zeitpunkt. Manchmal ist ein Gespräch nicht der richtige Weg. Vielleicht ist es für dich einfacher, einen Brief oder eine Mail zu schreiben. Entscheidest du dich für ein Gespräch, dann passe den richtigen Moment ab. Streitest du dich gerade mit deinen Eltern, wäre das für ein Coming-Out vielleicht kein guter Zeitpunkt. Warte auf eine ruhige Minute, in der du und deine Eltern Zeit haben. Deinen Eltern in einem flüchtigen Moment, beispielsweise kurz bevor du dich auf dem Weg zur Schule machst, beim aus der Tür laufen zu erzählen, „Bin dann mal weg, übrigens bin ich lesbisch.“, solltest du vermeiden. Es ist auch empfehlenswert, dir Verstärkung zu suchen. Bevor du dich deinen Eltern gegenüber outest, erzähl vorher doch, wenn möglich, vielleicht eine*m Freund*in oder deinen Geschwistern, falls du das nicht schon gemacht hast, dass du queer bist. Es ist immer toll, jemanden zu haben, die*der dich unterstützt und auf die*den du dich verlassen kannst, wenn deine Eltern nicht wie erhofft reagieren.
Du bist nicht dazu verpflichtet, dich zu outen und du bist vor allem nicht weniger schwul, lesbisch, bi, pan, queer wenn du es nicht machst.
Lass dich nicht verunsichern und auch nicht unsichtbar machen. Manche Leute, die sich als bi oder pan identifizieren, kriegen oft gesagt, ihre Sexualität sei nur eine Phase oder “die können sich ja gar nicht sicher sein, wenn sie immer nur Partner*innen desselben Geschlechts hatten”. Ein bisexueller Junge ist nicht weniger bisexuell, weil er bisher nur Freundinnen hatte oder schwul, weil er Jungs mag: Er ist einfach nur bisexuell. Du musst dich aber auch gar nicht in irgendwelche Schubladen zwängen lassen oder dir irgendwelche Zuschreibungen geben, wenn diese dir nicht zusagen.
Wenn du dich geoutet hast, kann es sehr wohl sein, dass deine Eltern erst einmal Zeit brauchen. Gib ihnen diese Zeit. Manchmal haben sich Eltern schon dein ganzes Leben ausgemalt und ein Outing kann sich mit den Vorstellungen, die deine Eltern für dich hatten, beißen. Manche Eltern haben aber auch einfach keine Ahnung von dem Thema und können sich darunter gar nichts vorstellen, wenn du ihnen erzählst, dass du trans* oder nicht-binär oder pansexuell bist. Im Gegensatz zu deinen Eltern hattest du ja eine lange Zeit, in der du dich mit genau diesem Thema beschäftigt hast. Es ist nur fair, deinen Eltern auch etwas Zeit zu geben, wenn sie diese brauchen und ruhig und sachlich zu erklären, wenn sie Verständnisfragen haben. Im besten Fall wirst du direkt akzeptiert, wie du bist; manchmal braucht es aber vielleicht auch einfach eine kleine Weile.
Wir wollen aber nicht lügen. Leider ist es manchmal so, dass bei einem Coming-Out nicht alle positiv reagieren. Das können Fremde sein, die du neu kennenlernst oder alte Freund*innen, die du schon lange kennst und leider aber manchmal auch die eigenen Eltern. Warum das so ist, kann unterschiedliche Gründe haben: Deine sexuelle Orientierung entspricht nicht dem traditionell-konservativen Geschlechterbild mancher Personen. Das kann aufgrund von religiöser Überzeugung sein, vielleicht haben diese Personen auch einfach Angst vor ihren eigenen nicht-heterosexuellen Gedanken und Gefühlen. Vielleicht haben sie einfach keine Ahnung von queeren Menschen und wurden zum Hass erzogen. Völlig gleich, was es nun ist – Leute die auf dein Outing negativ reagieren und ihre Meinung und Verhalten dir gegenüber trotz aller Belehrungen und Bemühungen nicht ändern wollen, lässt du am besten einfach ziehen. Du wirst neue Leute kennenlernen, die dich mögen und schätzen werden, wie du bist.
Wenn du Grund zur Sorge hast, dass deine Eltern nicht positiv bzw. sehr negativ reagieren werden, sie dich beispielsweise aus der Wohnung schmeißen werden, dann überlege dir, ob du dich zwingend outen musst. In solchen Fällen ist es in der Regel sinnvoller zu warten, bis man auf den eigenen zwei Beinen steht und du ausgezogen bist. So kannst du dich bei einem schlecht gelaufenen Gespräch an einen sicheren Ort zurückziehen.
Solltest du dich dazu entscheiden, das Risiko einzugehen und dich dennoch aus dringlichen Gründen zu outen, bereite dich entsprechend vor. Rede mit eine*m Freund*in, ob du bei ihr*ihm unterkommen kannst, falls du wirklich rausgeworfen wirst und, mit dem vollen Wissen wie drastisch das klingen mag, packe dir zu deinem Schulranzen noch eine Notfalltasche mit lebenswichtigen Dingen. Es macht Sinn bzw. es wäre gut, wenn du diese dann auch bei deiner Vertrauensperson unterbringen kannst. In dieser Tasche sollten im Idealfall sein:
- Ein paar saubere Klamotten, frische Unterwäsche und Socken
- Hygieneartikel, wie Zahnbürste, Seife und Deo
- Bargeld
- Medikamente, die du eventuell benötigst
- etwas Wasser und Essen
- im besten Fall wichtige Unterlagen wie Ausweis und Geburtsurkunde
Bitte habe keine Angst und lass dich nicht verunsichern; nicht jedes Coming Out läuft desaströs und endet im Rauswurf. Dieser letzte Absatz existiert nur als Hilfestellung, falls du glaubst, ein solcher Extremfall könnte bei dir auftreten.
Eine Sache, die du nie vergessen solltest: Dass andere negativ darauf reagieren, wenn du dich outest, ist nicht deine Schuld. Du bist nach wie vor derselbe Mensch; das Problem liegt bei den Anderen! Du hast mit deinem Outing keine Ablehnung, Ausgrenzung oder Diskriminierung herausgefordert, provoziert oder verdient. Schuld an Diskirminierung haben immer die Täter*innen, nicht die Opfer.
Sei bunt, Sei laut, Sei stolz.
Falls du Beratung oder eine Anlaufstelle benötigst, findest du hier eine PDF-Datei mit vielen Hilfs- und Beratungsangeboten im Bundesland Hessen. Benötigst du eine Anlaufstelle in einem anderen Bundesland? Klicke hier.
Für Freunde und Verwandte: “Wie kann ich am besten unterstützen?”
Hat sich dir gegenüber eine Person geoutet, wechsel nicht sofort in einen Beschützer*innenmodus oder durchlöchere die Person mit bohrenden Fragen. Fang damit an, zu fragen, ob die Person überhaupt Unterstützung von dir wünscht. Möchte die Person sich anderen gegenüber outen und du möchtest ihr dabei helfen, dann frag ebenfalls, wie du das machen kannst. Manchmal hilft es deinen queeren Bekannten, einfach nur das Coming-Out mit dir gedanklich durchzugehen. Wenn du vor, während oder nach dem Coming-Out als Vertrauensperson ansprechbar bist, freut das die Person mit Sicherheit. Es hilft, gemeinsam darüber zu reden, wie man mit negativen Reaktionen umgeht oder entgegenwirken kann. Klare Stellung gegen Queerfeindlichkeit zu beziehen, ist dabei ganz wichtig.
Weiterführende Links
Auf den folgenden Webseiten gibt es Beratung, Informationen, Aufklärungsangebote und Broschüren rund um LGBTQIA+ Themen. Alles was im obigen Text behandelt wurde, lässt sich auf diesen Seiten nachlesen:
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Die Aids-Hilfe
Der Lesben- und Schwulenverband
Das Regenbogenportal des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend
Das Familienhandbuch des Staatsinstituts für Frühpädagogik und Medienkompetenz
Das Genderwörterbuch ist ein Wortverzeichnis für gendergerechte Schreibung
Die Webseite des Modellprojekts Interventionen für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt von Dissens – Institut für Bildung und Forschung e.V.
Die pro familia – Beratungs- und Bildungsangebote zu Sexualität, Liebe, Beziehungen und Familienplanung
Die Webseite „Ach, so ist das?“ – Comicreportagen und Workshops zu queeren Lebenswelten
Die Webseite Mein Geschlecht – für junge trans*, inter* und genderqueere Menschen
Das Queer-Lexikon – Anlaufstelle für queere Jugendliche und Kinder aus Regenbogenfamilien